Thema : Der Schriftsteller in seinem Jahrhundert
Nachkriegsliteratur / Kahlschlagliteratur
Günter Eich - Inventur 1945
Dies ist meine Mütze,
dies ist mein Mantel,
hier mein Rasierzeug
im Beutel aus Leinen.
dies ist mein Mantel,
hier mein Rasierzeug
im Beutel aus Leinen.
Konservenbüchse:
Mein Teller, mein Becher,
ich hab in das Weißblech
den Namen geritzt.
Mein Teller, mein Becher,
ich hab in das Weißblech
den Namen geritzt.
Geritzt hier mit diesem
kostbaren Nagel,
den vor begehrlichen
Augen ich berge.
kostbaren Nagel,
den vor begehrlichen
Augen ich berge.
Im Brotbeutel sind
ein Paar wollene Socken
und einiges, was ich
niemand verrate,
ein Paar wollene Socken
und einiges, was ich
niemand verrate,
so dient es als Kissen
nachts meinem Kopf.
Die Pappe hier liegt
zwischen mir und der Erde.
nachts meinem Kopf.
Die Pappe hier liegt
zwischen mir und der Erde.
Die Bleistiftmine
lieb ich am meisten:
Tags schreibt sie mir Verse,
die nachts ich erdacht.
lieb ich am meisten:
Tags schreibt sie mir Verse,
die nachts ich erdacht.
Dies ist mein Notizbuch,
dies meine Zeltbahn,
dies ist mein Handtuch,
dies ist mein Zwirn.
dies meine Zeltbahn,
dies ist mein Handtuch,
dies ist mein Zwirn.
Textinterpretation zu G. Eichs "Inventur"
Auftrag: Interpretieren Sie das Gedicht "Inventur" nach Inhalt, Aufbau und formaler Gestaltung!
Einleitung: Das Gedicht "Inventur", verfasst 1945 in Kriegsgefangenschaft von Günter Eich, ist einer der bekanntesten Texte der deutschen Nachkriegsliteratur. Im Zweiten Weltkrieg sind die Selbstverständlichkeiten, Ideale und politischen und moralischen Gewissheiten zerstört worden. Eichs Gedicht ist typisch für die Versuche der sog. Kahlschlagliteratur dieser Zeit auf den Trümmern des Dritten Reiches eine neue Literatur zu verwirklichen. Im Folgenden soll es nach Inhalt, Aufbau und formaler Gestaltung interpretiert werden.
Inhalt und Aufbau: Wie der Titel bereits andeutet, nimmt das lyrische Ich in Eichs Gedicht eine Inventur der wenigen ihm verbliebenen Gegenstände vor; Gegenstände, die in Friedenszeiten keine Beachtung finden würden (eine Mütze, ein Stück Pappe, eine Blechdose, ein Nagel etc.). Sie können somit die Armut der Nachkriegszeit im Allgemeinen und der Kriegsgefangenen im Besonderen wiederspiegeln.
In der ersten und der letzten Strophe handelt es sich dabei nur um die jeweils meist nur einen Vers umfassende Auflistung dieser Gegenstände, die mit immer derselben Floskel "Dies ist mein ..." eingeleitet wird. Die beiden betont nüchternen und monotonen Strophen, die wie eine unzusammenhängende Aufzählung wirken, umfassen die ausführlicheren Beschreibungen von Konservenbüchse und Nagel, Brotbeutel und Bleistiftmine im Mittelteil, welche auf diese Weise hervorgehoben werden.
Anders als in den Anfangsstrophen gibt Eich bei diesen Gegenständen auch die Funktion und die Bedeutung an, die sie für das lyrische Ich haben. So dient die Konservenbüchse als Mittel der Nahrungsaufnahme (V. 6: "mein Teller, mein Becher"), der Nagel als Werkzeug, das einen so hohen Wert hat, dass es das Ich "vor begehrlichen / Augen" (V. 11 f.) verbergen muss. Der Brotbeutel dient nachts als Kopfkissen und befriedigt somit das Schlafbedürfnis. Er enthält zugleich "einiges, was ich / niemand verrate" (V. 15 f.), repräsentiert also auch die Intimsphäre des Sprechers. Die größte Bedeutung wird jedoch der Bleistiftmine am Schluss zugewiesen, denn sie "lieb ich am meisten" (V. 22). Sie dient zum Verfassen von Versen, die das Ich sich nachts erdacht hat, zeigt also den Willen auch in einer trostlosen Umgebung kreativ zu sein und sich mit Dingen, die nicht unmittelbar auf die Sicherung des Überlebens ausgerichtet sind, zu befassen.
© deutsch-digital.de 1 Dr. Ulrich Steckelberg
Auftrag: Interpretieren Sie das Gedicht "Inventur" nach Inhalt, Aufbau und formaler Gestaltung!
Einleitung: Das Gedicht "Inventur", verfasst 1945 in Kriegsgefangenschaft von Günter Eich, ist einer der bekanntesten Texte der deutschen Nachkriegsliteratur. Im Zweiten Weltkrieg sind die Selbstverständlichkeiten, Ideale und politischen und moralischen Gewissheiten zerstört worden. Eichs Gedicht ist typisch für die Versuche der sog. Kahlschlagliteratur dieser Zeit auf den Trümmern des Dritten Reiches eine neue Literatur zu verwirklichen. Im Folgenden soll es nach Inhalt, Aufbau und formaler Gestaltung interpretiert werden.
Inhalt und Aufbau: Wie der Titel bereits andeutet, nimmt das lyrische Ich in Eichs Gedicht eine Inventur der wenigen ihm verbliebenen Gegenstände vor; Gegenstände, die in Friedenszeiten keine Beachtung finden würden (eine Mütze, ein Stück Pappe, eine Blechdose, ein Nagel etc.). Sie können somit die Armut der Nachkriegszeit im Allgemeinen und der Kriegsgefangenen im Besonderen wiederspiegeln.
In der ersten und der letzten Strophe handelt es sich dabei nur um die jeweils meist nur einen Vers umfassende Auflistung dieser Gegenstände, die mit immer derselben Floskel "Dies ist mein ..." eingeleitet wird. Die beiden betont nüchternen und monotonen Strophen, die wie eine unzusammenhängende Aufzählung wirken, umfassen die ausführlicheren Beschreibungen von Konservenbüchse und Nagel, Brotbeutel und Bleistiftmine im Mittelteil, welche auf diese Weise hervorgehoben werden.
Anders als in den Anfangsstrophen gibt Eich bei diesen Gegenständen auch die Funktion und die Bedeutung an, die sie für das lyrische Ich haben. So dient die Konservenbüchse als Mittel der Nahrungsaufnahme (V. 6: "mein Teller, mein Becher"), der Nagel als Werkzeug, das einen so hohen Wert hat, dass es das Ich "vor begehrlichen / Augen" (V. 11 f.) verbergen muss. Der Brotbeutel dient nachts als Kopfkissen und befriedigt somit das Schlafbedürfnis. Er enthält zugleich "einiges, was ich / niemand verrate" (V. 15 f.), repräsentiert also auch die Intimsphäre des Sprechers. Die größte Bedeutung wird jedoch der Bleistiftmine am Schluss zugewiesen, denn sie "lieb ich am meisten" (V. 22). Sie dient zum Verfassen von Versen, die das Ich sich nachts erdacht hat, zeigt also den Willen auch in einer trostlosen Umgebung kreativ zu sein und sich mit Dingen, die nicht unmittelbar auf die Sicherung des Überlebens ausgerichtet sind, zu befassen.
© deutsch-digital.de 1 Dr. Ulrich Steckelberg
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