Wie
entsteht ein Mythos? – Der Faustmythos
An der Geschichte des Dr. Faust kann man sehr gut
erklären, wie ein Mythos entsteht[1].
Die berühmteste Version dieser Geschichte ist die
von Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832). Aber Goethe hat sich von einer
wahren Geschichte inspirieren lassen.
Goethe in Italien 1787
Der
historische Faust
Faust
hat wirklich existiert, es gibt historische Dokumente über ihn.
Der
mysteriöse/geheimnisvolle Doktor hat im frühen 16. Jahrhundert gelebt also zur
Zeit Martin Luthers. Er war ein Gelehrter[2] und Naturwissenschaftler[3] aber auch ein Scharlatan,
Wahrsager und Alchimist, der versuchte, den „Stein der Weisen“ herzustellen / zu produzieren.
Er
soll mit dem Teufel im Bund gestanden[4] haben und ist auf
mysteriöse Weise/Art verschwunden. Man erzählte, dass der Teufel ihn geholt
habe (subjonctif I).
Aus
dieser Geschichte sind Legenden entstanden. Faust wurde zum Mythos.
Im
16./17. Jahrhundert wurde seine Geschichte in Volksbüchern, Komödien und
Puppenspielen erzählt. Dann entstanden andere
Versionen in England, Spanien und Deutschland. Die berühmteste ist die Tragödie von Goethe aber im 20. Jahrhundert
wurde dieses Motiv wieder benutzt, um den Pakt mit dem Teufel als Allegorie im
Zusammenhang mit den totalitären Staatsformen neu zu erfinden[5].
Beispiele sind hier « Doktor Faustus » von Thomas Mann (1947),
« Der Meister und Margarete » von Michail Boulgakov (1920 - 30) oder
« Mephisto » von Klaus Mann (Sohn von Thomas Mann, 1948).
Warum
wurde diese Geschichte zu einem Mythos?
Faust, der seine Grenzen überwinden[6] wollte und mit dämonischen
Kräften Kontakt aufnimmt, zeigt ein Urproblem der menschlichen Natur. Der
Mensch ist zwischen den bösen und den guten Mächten hin- und hergerissen[7]. Auch hat der Mensch immer
versucht, mehr zu wissen, besser zu werden, Fortschritte zu machen. Das Motiv des Faust ist ein Archetypus wie
zum Beispiel die Geschichte des Ödipus.
Goethes Faust –
Die Geschichte kurz zusammengefasst
Es gibt
am Anfang den „Prolog im Himmel“.
Gott
und Mephistopheles (der Teufel) beobachten Faust. Sie machen eine Wette[8].
Jeder will ihn für sich gewinnen.
Die
Meinung Gottes entspricht dem Humanitätsideal des 18. Jahrhunderts (Goethe).
Der Mensch sei das Produkt der göttlichen Idee also stecke in ihm von Natur aus
das Gute.
Der
Teufel wettet, dass er Faust vom rechten Weg abbringen und auf seine Seite ziehen kann.
Fausts Monolog
Faust
ist allein in seinem Studierzimmer. Er ist unruhig und verzweifelt. Wir
erfahren über ihn, dass er alle Fächer, die man zu seiner Zeit (16.
Jahrhundert) studieren konnte, studiert hat: Philosophie, Jura, Medizin und
Theologie. Er hat alles studiert aber hat das Gefühl nichts zu wissen und
nichts lehren zu können (er ist ein Universitätsprofessor). Er ist deprimiert
und hat genug von seinem Leben.
Also
entscheidet er, es mit der Magie, mit den schwarzen Kräften zu versuchen. Er
sagt, dass er keine Angst vor dem Teufel habe. Er will wissen, „was die Welt im Innersten zusammenhält“.
Wir verstehen, dass er alles wissen will, alle Geheimnisse[9]
der Welt.
Der Teufelspakt
Faust
trifft Mephistopheles, der seine Pläne verfolgt[10].
Sie schließen einen Pakt, das heißt sie machen einen Vertrag[11].
Mephisto
wird Faust alle Geheimnisse der Welt zeigen. Er wird ihm dienen[12]
und ihn führen. Faust dagegen muss ihm seine Seele geben, wenn er stirbt. Er
verspricht, Mephistos Sklave in der Hölle zu sein.
Faust
sagt, dass er nie genug haben werde. Er will immer tiefer in alle Geheimnisse
der Welt vordringen. Er sagt, dass Mephisto an dem Tag, an dem er nicht mehr
weitermachen will, seine Seele nehmen könne.
Die beiden gehen also auf eine lange
Reise, bei der sie viele Abenteuer zusammen erleben. Sie treffen Studenten in
Leipzig, Hexen[13]
auf dem Blocksberg und so weiter.
Gesellschaftskritik im Faust – Die
Gretchentragödie
Faust
trifft Margarete, in die er sich verliebt. Mit der Hilfe von Mephisto verführt
er sie. Sie haben eine Liebesbeziehung aber die Geschichte endet in einer
Tragödie. Faust tötet Gretchens Bruder im Duell und muss fliehen. Er geht mit
Mephisto wieder auf Reisen. Gretchen bleibt allein zurück. Sie ist schwanger.
Das war in dieser Zeit unmöglich. Eine unverheiratete junge Frau wurde von der
Gesellschaft und ihrer Familie verbannt, wenn sie ein Kind bekam. Gretchen
tötet ihr Kind und kommt ins Gefängnis. Sie wird zum Tode verurteilt.
Goethe
hatte in dieser Zeit den Prozess von einer Kindsmörderin (ihr Name war
Margarete) verfolgt und inspiriert sich hier direkt an einer wahren Geschichte.
Fragen zum Faust
1) Hypothesen zu Fausts Schicksal[14]
! - Wird er am Ende in die Hölle oder ins Paradies kommen?
2) Ist Faust ein Held oder nicht?
2) Ist Faust ein Held oder nicht?
[1]
entstehen (entstand, entstanden) – naître (sens figuré)
[2] der
Gelehrte – le savant
[3] der
Naturwissenschafler – le scientifique
[4] im Bund
stehen mit – avoir un lien avec
[5] erfinden
(a, u) - inventer
[6] seine
Grenzen überwinden (a, u) – surmonter ses limites
[7] hin- und
hergerissen sein – être déchiré entre l’un et l’autre côté
[8] eine
Wette machen = wetten - parier
[9] das
Geheimnis (se) – le secret
[10] seine
Pläne verfolgen – poursuivre ses projets
[11] einen
Vertrag machen – faire un contrat
[12] jdm
dienen – servir qn
[13] die
Hexe (n) – la sorcière
[14] das
Schicksal – le destin
„Faust“
von Goethe und anderen Autoren
Wie
hängt dieses Thema mit unserem Programm zusammen?
Mythos und Helden
|
Orte und Formen der Macht
|
Idee des Fortschritts
|
Faust = ein Mythos
à eine wahre Geschichte, die weitererzählt wurde
und mehrere verschiedene Versionen kennt
à es gibt viele religiöse Elemente in diesem
Text : Gott, der Teufel, der Glaube an Gott und die Zweifel, die damit
verbunden sind
à der Mythos vom Pakt mit dem Teufel, vom ewigen
Leben, von der Weisheit
Faust, ein Held oder ein Antiheld?
à ein Held, weil er die Hauptfigur des
Theaterstücks ist und weil er eine Ikone der Weltliteratur geworden ist
à ein Antiheld, weil er sich mit den bösen
Mächten verbindet und schlechte Dinge tut
|
1) Das
Urproblem der menschlichen Natur: Der
Mensch ist zwischen den guten und den bösen Mächten hin- und hergerissen.
2) Das Motiv „Pakt mit dem Teufel“ = eine
Allegorie auf die totalitären Staatsformen im 20. Jahrhundert[1]
3) Faust will Wissen und Macht erreichen
|
1) Faust ist der Archetyp des Menschen,
der Fortschritte machen will, der mehr wissen und besser in allem werden
will.
2) Mit der Gretchentragödie übt Goethe Kritik an einem gesellschaftlichen Phänomen
(dem Problem junger Frauen, die ein Kind haben ohne verheiratet zu sein)
|
Wörter
der Zweifel – le doute
/ zweifeln
verbinden (a, u) –
lier
das ewige Leben –
la vie éternelle
die Weisheit – la
sagesse / wissen / das Wissen
hin- und
hergerissen sein – être tiré entre deux choses
[1] Mehrere moderne Versionen
des Faust wurden im 20. Jahrhundert geschrieben : Thomas Mann
« Doktor Faustus » 1947, Machail Boulgakov « Der Meister und
Margarthe » (1920-30), Klaus Mann « Mephisto » (1948)
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen