Babylon Berlin, eine deutsche Serie
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»Babylon Berlin« spielt im Frühjahr 1929, wenige Monate vor Beginn der Weltwirtschaftskrise. Zu dieser Zeit leben mehr Menschen in der deutschen Hauptstadt als heute. Mit knapp vier Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern zählt Berlin zu den drei größten Metropolen der Welt. Nur New York und London sind bevölkerungsreicher, lediglich Los Angeles umfasst ein flächenmäßig größeres Stadtgebiet.
Ähnlich wie heute ist Berlin auch damals eine sozial gespaltene Stadt: In den grünen Vororten residieren die Banker und Industriellen in ihren mondänen Villen, während das städtische Proletariat in den großen Mietskasernen der innerstädtischen Arbeiterbezirke zusammengepfercht ist. Oftmals leben mehrere Generationen zusammen in den dunklen, kleinen Wohnungen. Krankheiten breiten sich schnell aus, Invaliden des Ersten Weltkriegs bevölkern die Straßen.
Aber Berlin ist am Ende der »Goldenen Zwanziger« auch ein Ort des gesellschaftlichen Aufbruchs. Nach den bleiernen Jahren des Kaiserreichs wird es nun zur Stadt der Sünde, die gesellschaftlichen Konventionen des alten Preußens brechen auf. Die Menschen experimentieren mit Drogen und Alkohol. Es ist das Klima, dem Bertolt Brechts »Dreigroschenoper« uraufgeführt wird und in dem der Maler Otto Dix sein verstörendes »Großstadt-Triptychon« schaffen kann.
»Babylon Berlin« als Zeitmaschine
Regisseur Tykwer erklärte kürzlich in einen Interview, »Babylon Berlin« solle sich »so anfühlen, als wird man in eine Zeitmaschine geschmissen und marschiert jetzt einfach durch die Stadt«. Und tatsächlich ist es den Machern auf beeindruckende Weise gelungen, die gesellschaftliche Stimmung im Berlin der späten Zwanzigerjahre einzufangen. Lange Zeit scheint die eigentliche Handlung sogar zurückzutreten, um nur einem Zweck zu dienen: Raum zu schaffen für das Porträt einer Metropole am Abgrund der Moderne.
Da ist zum Beispiel das »Moka Efti«, ein Café- und Tanzhaus, das tatsächlich bis zur Wirtschaftskrise an der Ecke Leipziger-/Friedrichsstraße existierte. In »Babylon Berlin« ersteht es als Varieté mit angeschlossenem Bordell wieder auf. Oben tanzt die Jugend, während im Keller Prostituierte von ihren Freiern aufgesucht und in den Hinterzimmern zwielichtige Geschäfte gemacht werden. Auf der Bühne steht die Russin Nikoros (Severija Janušauskaitė), eine androgyne Gestalt, als Mann verkleidet. Sie performt den eigens für die Serie komponierten Hit »Zu Asche, zu Staub« – und die Menge davor tanzt, als ob es kein Morgen gäbe.
Historisch exakt
Hier geht auch Charlotte Ritter ein und aus. Die weibliche Hauptfigur (ganz zauberhaft dargestellt von Liv Lisa Fries) repräsentiert die ganze Zerrissenheit von jungen Frauen aus der damaligen Arbeiterklasse. Äußerlich entspricht sie voll und ganz der »Neuen Frau« der Weimarer Republik: Sie trägt kurze Haare und kleidet sich modern. Schlaf kennt sie kaum, nachts geht sie lieber feiern und verbringt ihre Wochenenden im beliebten Strandbad Wannsee. Doch letztendlich sind das alles nur verzweifelte Versuche, den ärmlichen Verhältnissen zu entfliehen, aus denen sie stammt. Die enge Wohnung im Proletarierviertel Moabit teilt sie sich mit der schwerkranken Mutter, ihren Schwestern und dem arbeitslosen Schwager. Charlotte träumt von einer Karriere bei der Polizei, wo sie gelegentlich als Aushilfskraft arbeitet. Doch von den männlichen Beamten wird sie selten ernst genommen. Und nicht einmal das Einkommen reicht. Deshalb muss sie zusätzlich immer wieder als Prostituierte im »Moka Efti« arbeiten.
Bei der Polizei lernt sie Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch) kennen. Er leidet unter wiederkehrenden Alpträumen und regelmäßigen Anfällen, die er mit fragwürdigen Substanzen zu behandeln versucht. Tatsächlich litten Tausende Soldaten nach Kriegsende an dieser posttraumatischen Störung.
Die Politik in »Babylon Berlin«
Auch die politische Situation ist gut getroffen. So kommt Rath beispielsweise im Lauf der Zeit einem geplanten Staatsstreich durch die »Schwarze Reichswehr« auf die Schliche. Hierbei handelte es sich um illegale paramilitärische Gruppierungen, die tatsächlich in den 1920er Jahren versucht hatten, die Weimarer Republik zu beseitigen. Geleitet wurden sie unter anderem von ehemaligen Angehörigen der Freikorps – also jenen rechtsgerichteten und antisemitischen Kräften, die in der Revolutionszeit 1918/19 brutal gegen streikende und revoltierende Arbeiter vorgegangen waren. Insgeheim unterstützten auch republikfeindliche Generäle der regulären Armee die Schwarze Reichswehr. Sie erhofften sich, dadurch die Begrenzung der Truppenstärke auf 100.000 Mann umgehen zu können, die im Versailler Vertrag festgeschrieben war.
Eindrücklich dargestellt ist auch der Berliner »Blutmai« von 1929. Am 1. Mai jenes Jahres hatte die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) eine nicht genehmigte Demonstration durchgeführt, welche die Polizei mit übermäßiger Härte auflöste. Mehr als dreißig Menschen wurden getötet, fast zweihundert verletzt. Der Befehl war vom sozialdemokratischen Polizeipräsidenten Karl Zörgiebel gekommen, weshalb die Ereignisse dazu beitrugen, die gegenseitigen Ressentiments zwischen KPD- und SPD-Mitgliedern zu vertiefen.