Er bleibt spannend: Michael Kohlhaas
Auch nach 200 Jahren fasziniert eine Erzählung von Heinrich von Kleist Autoren und Regisseure. Wie ist das anhaltende Interesse an der Geschichte eines betrogenen Pferdehändlers aus dem Mittelalter zu erklären?
Als Heinrich von Kleist vor zwei Jahrhunderten die Feder in die Hand nahm, um seine Novelle "Michael Kohlhaas" zu Papier zu bringen, griff er auf einen historischen Stoff zurück, der damals schon rund 250 Jahre zurücklag. Dass im Jahre 2013 gleich zwei Filme in die Kinos kommen, die Kleists Erzählung zur Grundlage genommen haben, ist also erstaunlich.
Eine universelle Geschichte
Auch für den französischen Regisseur Arnaud des Pallières, der mit dem dänischen Superstar Mads Mikkelsen in der Titelrolle (unser Bild oben) eine eher klassische Kleistverfilmung für das Kino vorlegt, ist die literarische Figur Kleists ein Evergreen: "Diese Geschichte ist weder französisch noch deutsch, sondern universell." Arnaud des Pallières war von der Figur des wütenden Pferdehändlers fasziniert: "Diese Härte, die Kohlhaas ausmacht, hat mich erschüttert und erschüttert mich immer noch. Ein Mann siegt durch seinen Mut und Entschlossenheit, er hat die Möglichkeit, die Macht zu übernehmen und schlägt sie aus, weil er eine bestimmte moralische Haltung hat."
Übersetzung in 30 Sprachen
Nachdem die Erzählung im 19. Jahrhundert zunächst in die großen Sprachen übersetzt wurde, kann man sie heute auch in Hebräisch, in Katalanisch, Lettisch oder Isländisch lesen. "Das Gesamtwerk Heinrich von Kleists liegt in nur drei Sprachen vor, in Französisch, Ungarisch und Japanisch", listet Barbara Gribnitz die Übersetzungen auf, "Michael Kohlhaas" dagegen in rund 30 Sprachen. Die große internationale Verbreitung der Novelle sei ein Beleg für das Interesse der Menschen an dem Stoff.
In der Novelle geht es um eine wahre Begebenheit, die sich Mitte des 16. Jahrhunderts in Brandenburg und Sachsen abspielte. Nachdem die arrogante adelige Obrigkeit dem Pferdehändler Hans Kohlhaase zwei Tiere entwendet hatte, setzte er sich damals gegen das ihm zugestoßene Unrecht zur Wehr. Kohlhaase versuchte es zunächst auf juristischem Weg. Als er keinen Erfolg hatte, griff er zu den Waffen und verübte blutige Rache an seinen Peinigern.
Der Regisseur: geb. 1961 in Paris. Filmstudium an der Hochschule Le fémis in Paris. 1997 dreht er seinen ersten Langfilm, „Drancy Avenir“, es folgen „Adieu“ (2003) und „Parc“ (2008) sowie die Dokumentarfilme „Disneyland, mon vieux pays natal“ (2002) und „Poussières d’Amérique“ (2011).
Der Film: Der Pferdehändler Michael Kohlhaas passiert die Ländereien des Junkers Tronka, der ihm unter einem Vorwand zwei Rappen abnimmt und als Pfand einbehält. Als Kohlhaas auf dem Rückweg die Pferde zurückverlangt, sind die einst prächtigen Tiere zerschunden. Er versucht, auf dem Rechtsweg gegen den Junker vorzugehen, scheitert und entschließt sich zur Selbstjustiz, indem er ein Heer um sich schart und in den Krieg zieht. Kleists Novelle spielt in der Mitte des 16. Jahrhunderts, sie wurde im Jahr 1810 erstmals vollständig veröffentlicht und in den sechziger Jahren zweimal verfilmt (von Volker Schlöndorff und Wolf Vollmar). Arnaud des Pallières verlegt die Geschichte vom Brandenburgischen in die französischen Cevennen, er arbeitet mit einem internationalen Cast (der Däne Mads Mikkelsen spielt die Hauptrolle mit stoisch-steinernem Gesicht) und setzt auf eine reduzierte, elementare Mise en scène, die das bunt ausstaffierte Historienspektakel so sehr fürchtet wie Kohlhaas die Willkür.
„Michael Kohlhaas“ Regie: Arnaud des Pallières. Mit Mads Mikkelsen, Melusine Mayance
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